Einer gegen AIDS
Einer gegen AIDS
"... so titelte der Spiegel in der Ausgabe 22 im Jahr 1987 oder der bayrische Kreuzzug gegen die Todesseuche AIDS, vorangetrieben von Staatssekretär Peter Gauweiler, entzweit die Bundesbürger".
Während Kritiker dem CSU-Politiker unterstellten, ein »AIDS-KZ« und eine »Art Endlösung« für Infizierte zu planen, rechnet Gauweiler mit wachsender Zustimmung für seine Seuchenpolitik.
Mit Unschuldsmiene versicherte Gerold Tandler, CSU-Fraktionsvorsitzender im Münchner Landtag, seine Partei wolle für alle Bundesbürger nur das Beste.
Es gehe der Bayern-Union, erklärte er bei einem AIDS-Hearing seiner Fraktion, ausschließlich darum, »die Gesunden vor der Infektion zu schützen, den Betroffenen zu helfen und gleichzeitig dafür zu sorgen, daß diese Betroffenen nicht der Ächtung und Diskriminierung anheimfallen«. Aber genau das ist passiert.
Quelle: Spiegel 22/1987
Demonstration gegen Stigmatisierung und Repression – Protest am 24. Oktober 1987 in München
Am 24. Oktober 1987 versammelten sich zahlreiche Menschen in München zu einer Demonstration mit Kundgebungen am Stachus, um gegen den sogenannten „Maßnahmenkatalog“ der bayerischen Staatsregierung zu protestieren. Der Katalog war federführend vom damaligen CSU-Staatssekretär Peter Gauweiler mitgetragen worden, unterstützt von Ministerpräsident Franz Josef Strauß und anderen politischen Akteuren der Landesregierung.
Der Protest richtete sich gegen eine AIDS-Politik, die aus Sicht vieler Teilnehmer*innen nicht auf Aufklärung und Solidarität setzte, sondern auf Kontrolle, Zwang und Diskriminierung.
Die Demonstration wurde unter anderem vom VSG – Verein für sexuelle Gleichberechtigung organisiert, der sich schon früh für die Rechte queerer Menschen und den Schutz vor staatlicher Willkür einsetzte.
Der Maßnahmenkatalog der Bayerischen Staatsregierung
Zwangstests auf AIDS bei bayerischen Beamtenanwärter*innen in den 1980er-Jahren – Ein dunkles Kapitel staatlicher Gesundheitspolitik
In den 1980er-Jahren herrschte in Deutschland – und besonders in Bayern – eine regelrechte AIDS-Panik. Unter dem Eindruck der damals neuen und tödlich verlaufenden Krankheit, für die es weder Therapie noch Heilung gab, griff die bayerische Staatsregierung zu rigiden Maßnahmen. Eine davon: verpflichtende HIV-Tests für alle Beamtenanwärter und -anwärterinnen.
Zwangstests als Einstellungsvoraussetzung
Wer sich in Bayern für den Eintritt in den öffentlichen Dienst bewarb – etwa zur Polizei, zur Justiz oder zur Verwaltung – musste sich einem verpflichtenden AIDS-Test unterziehen.
Dies geschah im Rahmen der amtsärztlichen Untersuchung, ohne ausreichende Aufklärung oder echte Freiwilligkeit. Auch wenn der Begriff „Zwangstest“ offiziell vermieden wurde, lag ein faktischer Zwang vor: Ohne HIV-Test – keine Einstellung.
Diese Praxis stellte einen massiven Eingriff in die Persönlichkeitsrechte dar, insbesondere in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
Kritik kam damals von Bürgerrechtsorganisationen, medizinischen Fachleuten und besonders aus der queeren Community. Der HIV-Status wurde damit zur heimlichen Zugangsvoraussetzung für den Staatsdienst – und trug zur weiteren Stigmatisierung HIV-positiver Menschen bei.
Wie lange wurden die Tests durchgeführt?
Die verpflichtenden Tests begannen Mitte der 1980er-Jahre unter der Regierung von Ministerpräsident Franz Josef Strauß und unter Federführung von Peter Gauweiler, dem damaligen CSU-Staatssekretär.
Eine genaue Jahreszahl für den Beginn ist schwer festzulegen, aber ab etwa 1986 wurden systematisch HIV-Antikörpertests bei Bewerber*innen für den öffentlichen Dienst vorgenommen. Erst in den frühen 1990er-Jahren, mit dem zunehmenden gesellschaftlichen und politischen Druck, wurde diese Praxis schrittweise eingestellt.
Ein offizielles Ende der flächendeckenden HIV-Testpflicht lässt sich etwa auf das Jahr 1993 datieren – also fast ein Jahrzehnt nach Beginn der Maßnahme. Damit wurden in Bayern über mehrere Jahre hinweg Tausende von Tests ohne informierte Zustimmung durchgeführt.
Wieviele positive Tests gab es?
Die Zahl der positiv getesteten Bewerber*innen blieb extrem gering. In internen Berichten war von einzelnen Fällen pro Jahr die Rede. Genaue statistische Erhebungen wurden nicht veröffentlicht oder nicht dauerhaft archiviert.
Die wenigen bekannten Zahlen deuten darauf hin, dass die Maßnahme in keinem Verhältnis zum tatsächlichen Risiko stand – und eher einem symbolischen Akt der „Sicherheitspolitik“ diente als einer begründeten gesundheitspolitischen Maßnahme.
Fazit
Die HIV-Zwangstests für Beamtenanwärter*innen in Bayern in den 1980er-Jahren sind heute ein mahnendes Beispiel dafür, wie staatliche Reaktion auf Angst und Unsicherheit in Grund-rechtseingriffe und Diskriminierung münden kann.
Sie waren Teil einer Politik, die mehr Kontrolle als Aufklärung anstrebte und betroffene Menschen – insbesondere homosexuelle Männer – nicht als Schutzbedürftige, sondern als Gefahr darstellte.
Die Aufarbeitung dieser Praxis ist bis heute unvollständig. Umso wichtiger ist es, dieses Kapitel nicht zu vergessen: Es zeigt, wie schnell der Staat in Krisenzeiten bereit ist, fundamentale Rechte infrage zu stellen – und wie notwendig es ist, für eine solidarische, menschenrechtsbasierte Gesundheitspolitik einzutreten.


Als die Aids-Epidemie in den 1980er Jahren auch in Deutschland zum Thema wird, löst das eine Angst-Debatte aus.
Die deutsche Gesellschaft ist gespalten in der Antwort auf die Frage: Wie gehen wir um mit dieser tödlichen Seuche? Und wie mit schwulen Männern?

AIDS in den 1980er-Jahren – Der Beginn einer Krise
A nfang der 1980er-Jahre erreichte eine rätselhafte Krankheit auch Deutschland. Zunächst betraf sie scheinbar nur eine kleine, gesellschaftlich marginalisierte Gruppe: schwule Männer. Doch bald wurde klar, dass es sich um eine ernsthafte, potenziell tödliche Krankheit handelte – AIDS. Die Unsicherheit war groß, das Wissen gering, und die Reaktionen waren geprägt von Angst, Stigmatisierung und Hilflosigkeit.
Die Zahl der HIV-Infektionen stieg rasant – in manchen Monaten verdoppelte sich die Zahl der Betroffenen. Medienberichte schürten die Furcht vor einer „Seuche“, die niemand verstand und gegen die es keine Heilung gab. AIDS wurde innerhalb kurzer Zeit zur Volksangst Nummer eins.
Weder das Gesundheitssystem noch die Politik waren auf eine solche Herausforderung vorbereitet. Es mangelte an Testmöglichkeiten, Medikamenten, Beratung und öffentlicher Aufklärung. Stattdessen dominierten Vorurteile, moralische Verurteilungen und
Diskriminierung, insbesondere gegenüber schwulen Männern, Drogengebrauchenden und Sexarbeiter*innen.
Der Fernsehsender ZDFinfo beleuchtet in einer eindrucksvollen Dokumentation jene Zeit, in der sich Menschen mit HIV noch völlig allein gelassen fühlten. Gezeigt werden Betroffene, die mit Mut und Würde gegen die Krankheit und die gesellschaftliche Ausgrenzung ankämpften – ebenso wie Politiker, die versuchten, inmitten von Unsicherheit und Vorurteilen Antworten zu finden.
Die Sendung erinnert an eine Epoche, in der der Kampf gegen AIDS noch aussichtslos erschien, und an jene, die dennoch nicht aufgaben – aus persönlicher Not, aus politischer Überzeugung oder aus humanitärem Anstand. Sie zeigt, wie eine Gesellschaft mit einer neuen Krankheit kämpfte – und mit ihren eigenen Ängsten und Abwehrmechanismen.
Rückblick auf die Geschehnisse, auf die Maßnahmen und Diskriminierungen
“I Will Survive” beginnt Anfang der Achtziger in Deutschlands Disco-Hauptstadt München.
Die Podcast-Serie erzählt die Geschichte der queeren Community in München, die sich am Rand der Gesellschaft durch die AIDS-Epidemie kämpfen muss.
Denn die Agenda der bayerischen Staatsregierung lautet: Abgrenzung vor Aufklärung.
Ein Podcast von Niklas Eckert, Sarah Fischbacher, Meret Reh, Judith Rubatscher und Phillip Syvarth.

Als Bayern Aids den Kampf ansagte
Zwangstests, Razzien, Auflagen: Vor 30 Jahren verabschiedete die Staatsregierung ihren berüchtigten Aids-Katalog.
Mit ihm führte sie einen Feldzug gegen Randgruppen.
Tür auf in der Schwulensauna, plötzlich Uniformierte vor nackten Männern. Manche können sich noch schnell ein Handtuch umbinden. Die Polizisten haben das Foto eines US-Amerikaners dabei. Der Mann, in Nürnbergs Homoszene bekannt, habe Aids, sei eine uneinsichtige Virenschleuder, sagen die Beamten.

Interview des Bayerischenrundfunk
Dr. Susanne Zimmer und Peter Gauweiler
Zimmer: Wie sehen Sie denn aus dem Blickwinkel von heute Ihren Kampf, Ihren ganz engagierten Kampf gegen Aids?
Gauweiler: Tja, also, bei allen Übertreibungen, die auch vorhanden waren, glaube ich doch, dass wir in der Rückschau mehr recht hatten als unrecht.
Die anfängliche Hauptdebatte ging ja darüber, ob die Warnungen gerechtfertigt sind oder ob es vielleicht doch nicht so schlimm ist.
Die damalige Bundesgesundheitsministerin Rita Süssmuth hat ja durch ihre Experten öffentlich erklären lassen, dass in drei, vier Jahren niemand mehr von Aids sprechen werde, dass ihnen in Afrika überhaupt keine Fälle bekannt seien, dass eine Infizierung mit HTLV-3, wie das Humane Immundefizienz Virus (HIV) damals noch genannt wurde, selbstverständlich kein Anlass für ein Tätigkeitsverbot für Prostituierte sei usw.
Wenn ich daran denke, dann kann man in der Rückschau eigentlich nur den Kopf schütteln und fühlt sich selbst eigentlich doch eher bestätigt.
Wir haben dabei sicherlich auch Fehler gemacht, das gehört eben auch zur ganzen Wahrheit mit dazu. Das Ganze war natürlich auch eine delikate Diskussion, weil es um eine Geschlechtskrankheit ging, die nicht als eine solche bezeichnet werden durfte, und weil es natürlich auch darum ging, dass die Homosexuellen, die zuvor gerade die Beseitigung eines Unrechts erkämpft hatten, an dem viele Generationen von Homosexuellen regelrecht zugrunde gegangen waren, das Gefühl hatten: "So, jetzt kommt da dieser Gauweiler mit seinen neuen Gesund-heitsvorschriften daher! Das macht der doch nur, um uns erneut zu schikanieren!"
Auch in 2020er Jahren diskutiert die Polizei weiter über das Thema - intern und extern
Mit HIV zur PolizeiInfektion ist kein Ablehnungsgrund
Darf ein HIV-Infizierter als Polizist in Niedersachsen arbeiten? Ja, hat das Verwaltungsgericht Hannover entschieden.
(2019)
Diskriminierung
Untauglich: Mit HIV kein Polizeidienst
Ungeachtet der medizinischen Realität und eindeutiger Gerichtsurteile gelten bei der Polizei Menschen wegen ihrer HIV-Infektion als nicht diensttauglich. Das hat Folgen sowohl für Bewerber*innen als auch für die Verbeamtung von ausgebildeten Polizist*innen.
(2025)
ANST - Kennzeichnung HIV-Positiver in Polizeidatenbanken
Nach einem Beschluss der Innenministerkonferenz darf die Polizei in ihrem bundesweiten Informationssystem INPOL Menschen it HIV oder Hepatitis B und C mit dem „personengebundenen Hinweis“ (PHW) ANST für „ansteckend“ kennzeichnen.
Dies soll zum Schutz Polizeibeamter vor einer Ansteckung beitragen. Die Speicherung erfüllt diesen Zweck jedoch nicht. Zugleich widerspricht sie Grundrechten und stigmatisiert Menschen. Der Hinweis ANST sollte umgehend abgeschafft werden.
(2015)
Diskriminierung
Systematische Stigmatisierung: Polizeikürzel „ANST“
Medizinische Daten sind besonders sensibel und berühren in hohem Maße das Persönlichkeitsrecht.
In Datenbanken der Polizei werden dennoch HIV- oder Hepatitis-Infektionen als „ANST“ gespeichert – und zwar bei einer erschreckend hohen Zahl an Personen, wie DAH-Recherchen ergaben.
Die Begründungen für diese Verletzung der Persönlich-keitsrechte sind medizinisch wie juristisch mehr als fragwürdig.
(2025)